Rosenhag
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Der Rosenhag

Eine Mauernische an der Palasgiebelfront ergab die einzigartige Möglichkeit, mit einfachen Stilmitteln des mittelalterlichen Gartens einen Sitzplatz zu schaffen, der auch dem modernen Menschen etwas wie Geborgenheit vermitteln kann. Rosenberankte Spaliere und Bögen finden sich auf zahlreichen Marienbildern der Spätgotik. Als Sitzgelegenheiten dienten - das kann man bei genauerem Hinsehen gut erkennen - Holz-, Stein- oder Rasenbänke. Sie waren nicht etwa nur als Thron der Himmelskönigin im Paradiesgarten "frei erfunden", sondern wurden in den Gärten der höfischen Gesellschaft auch wirklich benutzt für Spiele, musikalische Unterhaltung oder für die traute Zweisamkeit des Liebespaares.

Beim ersten Blick auf den Hayner Rosenhag vermutet der Besucher vielleicht eine entfernte Ähnlichkeit dieses Motivs mit zwei berühmten Andachtsbildern des Spätmittelalters. Gemeint ist einmal Stefan Lochners "Maria im Rosenhag" (1450/51) und außerdem Martin Schongauers Marienbild gleichen Titels (1473). Bei der Gestaltung dieser Gartenecke wurden in der Tat möglichst viele Zeitdokumente herangezogen, ohne daß jedoch peinlichst genau 'zitiert' wurde. Wir haben versucht, im Burggarten ein neues Bild zu schaffen durch eine der Gartensituation angepaßte Verknüpfung verschiedener Elemente (Bogen, Spalier, Steintisch, dreiseitige U-förmige Bank), jeweils in der Formensprache der Ikonographie des Mittelalters.

Die relativ geringe Stichhöhe des Rosenbogens entspricht bestimmten Bogenformen, die in der spätgotischen Malerei als Umrahmung von Flügelaltären, ebenso wie in der Architektur als Ornament zu finden sind. Gleichzeitig entspricht sie aber auch den flachgekrümmten Fensterbögen in der Palasruine!

Neben der bildenden Kunst gibt auch die Dichtung der Zeit Zeugnisse über das Aussehen der Gärten. Die Minnelieder, Romane oder Heldensagen enthalten häufig eingehende Beschreibungen von dramatischen Liebes- oder Kampfszenen. Der Garten war meist Ort der Handlung als symbolisch verschlüsselte Kulisse des Geschehens. Ihr Sinngehalt ist heute oft nicht mehr vollständig zu erschließen. Doch Einzelheiten über das Aussehen der Gärten sind nach wie vor wichtig beim Planen mittelalterlicher Gärten.

Ein kurzes Zitat aus "Der weiße Rosendorn" (nach Hennebo) soll hier als Beleg für den Rosenbogen genügen:

Ouch het diu junkvrouw erkorn Einen wîzen Rosendorn Der was breit unde dik, Daz er vur (vor) der sunnen blik Zwelf rittern hete schaten geben. Er was umb und umbe eben in einen reif gebogen Joch hoeher dann ein man gezogen.

In freier Übersetzung:

"Die junge Dame hatte außerdem einen weißen Rosenstrauch ausgewählt; der war breit und buschig, damit er zwölf Rittern vor den Sonnenstrahlen Schatten spenden konnte. Er rankte sich über und über um einen Bogen (=Reif), der mit seinem Joch übermannshoch aufragte."

Unser "weißer Rosendorn" ('Sander's White Rambler') hat seit seiner Pflanzung 1988 eine Wuchskraft entwickelt, die mit Geschick und Sorgfalt gebändigt werden muß. Beschränkt sich die Pflege vier bis fünf Jahre lang nur auf den spätsommerlichen Rückschnitt nach der Blüte und auf das Einkürzen zu lang geratener Sommertriebe (Formieren), so entsteht zwar ein schattenspendender "Baldachin"; der im Hochsommer für uns noch heute so wohltuend sein mag wie für die zwölf Ritter vor Jahrhunderten. Doch der Blütenansatz geht in den folgenden Jahren - besonders an der Bogenwölbung - wegen Lichtmangels deutlich zurück. Lieber im September alles losbinden, alte Triebe verschieden tief herausschneiden, neu aufbinden. Eine Arbeit von gut drei Stunden (mit Hilfe), die aber durch die Biegsamkeit der Ranken besser zu bewältigen ist, als bei starktriebigen Kletterrosensorten.

Ein schönes Beispiel für eine lauschige Ecke in der Form eines Rosenhags wird in der hier zugrundeliegenden Broschüre gezeigt. Es stammt aus einer französischen Boccaccio-Handschrift des 14. Jahrhunderts und zeigt ein zierliches Fräulein namens Emilià, das - auf der Rasenbank sitzend - ein Kränzlein flicht und durch das dichte Rosenspalier den sehnsüchtigen Blicken zweier Gefangener im Burgverlies verborgen bleibt. Dieses Bild kam mir erst vor Augen, als der Hayner Rosenhag schon längst fertig aufgebaut war! So hat im Nachhinein unsere Arbeit ihre Bestätigung gefunden.

Der Mühlsteintisch ist im Jahre 1988 zusammen mit der nunmehr holzgedeckten Sitzbank von der Freilichtbühne hierher versetzt worden. Tisch und Bank stehen, wie alle Bereiche des Gartens, dem Publikum zur freien Verfügung und sind nicht - wie andernorts - mit Seil und Verbotsschildern abgesperrt. Der Garten soll keinesfalls musealen Charakter haben oder sinn- und zwecklose Dekoration sein. Dem Geschichts- und Heimatverein ist jedoch als privatem Burgruinen- und Garteneigentümer sehr viel an schonender, respektvoller Benutzung des Sitzplatzes und des gesamten Geländes gelegen.

Es sei hier noch vermerkt, daß der Mühlstein bald nach seiner Platzierung im Rosenhag durch sinnlose Gewaltanwendung zweimal demoliert wurde; unverzeihlich, wenn man bedenkt, daß in solchen Fällen historisch wertvolle Dinge betroffen und kostspielige Reparaturen erforderlich sind.

Der Grundriß des Hags folgt den Grundmauern eines ehemaligen Turmvorbaus an der Palasgiebelwand. Ende des 18. Jahrhunderts wurde er abgerissen. Die Rosen an Spalier und Bogen sind alte, nur einmal blühende Ranker, nämlich "Sanders", "White Rambler", "Mme Plantier", "Russeliana", abwechselnd mit modernen Dauerblühern in fein abgestimmten Farben. Daneben finden sich u.a. "Super Excelsa", "Super Dorothy und "Leverkusen", die alle lange blühen. <

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