BurgkircheBurgkirche

Burgkirche
An der Stelle der heutigen Kirche in der Dreieichenhainer Burg befanden sich früher kleinere Kapellen. In der Baugeschichte dieser Gebäude sind als Vorläufer nachgewiesen: eine salische Kapelle (um 1085), eine spätromanische Kapelle (um 1200) und später eine frühgotische Saalkirche (um 1300).

Im 11. Jahrhundert wurde im Hengstbachtal zur Zeit der Salier (1024 – 1125) ein befestigter Jagdhof angelegt. Mit dem Bau weiterer Gebäude innerhalb und außerhalb des heutigen Burggeländes entstand auch gleichzeitig eine kleine Kapelle. Der Andachtsraum bestand hierbei aus einem rechteckigen Langschiff, das in westöstlicher Richtung verlief. Auf seiner Ostseite befand sich ein Chor, der durch einen Triumphbogen abgetrennt war. Die Sakristei lag in der Nordostecke. Der Kirchenraum der salischen Kapelle war mit einem Plattenboden aus rötlichgelben, hartgebrannten quadratischen Tonfliesen von 30 cm Seitenlänge und 32 mm Dicke ausgelegt. In die Oberfläche der Fliesen waren meist vier runde Stempel von 39 mm Durchmesser mit einem stilisierten Eichenbaum eingedrückt. Eine einzige Fliese zeigte als Ornament vier sich berührende konkave Kreissegmente von 7,5 cm Durchmesser.

Zum Zeitpunkt der Hagen-Münzenberger (1076-1255) wurde in unmittelbarer Nähe neben diesem Kirchenraum der Palas erbaut und in dessen Ostteil eine Burgkapelle für die Herrschaft eingerichtet. Die noch bestehende salische Kapelle wurde verkleinert: das Langschiff wurde abgebrochen, die Sakristei vergrößert und mit dem Chor zu einem Raum - nun in nordsüdlicher Richtung - vereinigt. Dieses Gebäude wurde von einem Frühmesser - ein frühmorgens die Messe lesender Geistlicher - betreut und diente jetzt nur dem Gesinde als Andachtsraum.

Nachdem die Hagen-Münzenberger im Jahre 1255 ausgestorben waren, ging die Burg in den Besitz der Falkensteiner (1255-1418) und Hanauer (1255-1710) über. Mit diesem Herrschaftswechsel wurde auch der Palas umgebaut und nach der Weiherseite zu vergrößert, wobei die Kapelle an dieser Stelle einem anderen Zweck zugeführt wurde: den Ostteil erhielten nun die Hanauer Mitregenten.

Um das Jahr 1350 wurde die Stadt nach Westen ausgedehnt, den Hofreiten der Burgmannen schlossen sich jetzt auch die Häuser der Handwerker und Gewerbetreibenden an. Durch die damit verbundene Erhöhung der Bevölkerungszahl war nun der Bau einer größeren Kirche notwendig geworden.

Anstelle der erwähnten Vorläufer war bereits um 1300 die neue Kirche in gotischem Stil mit rechteckigem Grundriß erbaut worden. Vor der Westseite wurde ein freistehender hölzerner Glockenturm errichtet, der aber schon bald das Gewicht der Glocken nicht mehr tragen konnte. Er wurde im Jahre 1578 wegen Baufälligkeit wieder abgebrochen. Die Glocken kamen zunächst bis 1783 zur Mittelpforte, später in das Obertor.

Die gotische Saalkirche erlebte die Reformation (1529-1545) und mit ihr die erbitterten Kämpfe zwischen Lutheranern und Reformierten. Der Grundsatz für die Religionszugehörigkeit hieß seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 "Cuius regio, eius religio". Da der Hain aber teils den lutherischen Grafen von Hanau, teils den reformierten Isenburgern (1418-1815) gehörte, entstanden hier zwei protestantische Gemeinden. Die theologischen Spannungen gingen seinerzeit so weit, daß die Pfarrer nur unter dem Schutz der jeweiligen landesherrschaftlichen Obrigkeit den Gottesdienst in der Kirche halten konnten.

Die lutherische Kirchengemeinde besaß ihr Gotteshaus in der Burgkirche, während die reformierte Gemeinde zum Gottesdienst in der Hospitalkirche (Hinweistafel Fahrgasse 42) zusammenkam. Aus dieser war 1614 eine eigenständige reformierte Pfarrei in Dreieichenhain entstanden, der als Filialort Offenthal angehörte. Etwa hundert Jahre später hatte sich die reformierte Pfarrei Philippseich gebildet, die sich 1769 mit der Hainer reformierten Gemeinde vereinigte. Hierdurch läßt sich auch erklären, warum die Schloßkirche in Philippseich - obwohl heute auf Götzenhainer Gebiet gelegen - mit dem Schloß Philippseich als Filialort bis heute zur Burgkirchengemeinde Dreieichenhain gehört.

Am 27. Dezember 1669 erlebte die Burgkirche ihre größte Katastrophe. Der Gemeindebäcker Johannes Weißbender hatte in die kalte Kirche ein kleines Heizöfchen (Stövchen) - wie es damals so üblich war - mitgebracht, das er unter seinen Sitz stellte. Aus diesem Kohlentopf fiel Holzkohle heraus, wodurch die Kirche sofort in Brand gesetzt wurde. Das Feuer fraß sich rasch in das trockene Holzwerk der Bänke und brannte die Kirche bis auf die Grundmauern nieder. Doch auch dieses Unglück brachte die beiden evangelischen Gemeinden einander nicht näher. Wegen der nach wie vor andauernden Streitigkeiten mußten die Lutheraner zur Sommer- und Winterzeit ihren Gottesdienst vier Jahre lang unter freiem Himmel innerhalb der vier stehengebliebenen kahlen Kirchenmauern abhalten. Erst später erlaubten die Reformierten den Lutheranern die Mitbenutzung der kleinen Spitalkirche inmitten des Ortes.

Der Wiederaufbau der abgebrannten Kirche von 1710 bis 1718 war für die kleine Gemeinde nicht leicht. Erst am 1. Advent 1718 konnte die nun um vier Meter nach Westen vergrößerte Kirche mit dem 25 Meter hohen Kirchturm eingeweiht werden. Der Neubau wurde unter dem damaligen lutherischen Ortspfarrer Philipp Kaspar Pack vollendet.

Im Jahre 1789 wurde der Bau einer Orgel in Auftrag gegeben. Es entsprach der Bedeutung des Hains als Mittelpunkt eines großen Verwaltungsbezirks, daß man mit einem großen Meister einen Vertrag abschloß. Dies waren die Gebrüder Stumm aus Sulzbach im Hunsrück, die kurz zuvor im Jahre 1782 auch die Orgel der Abtei Amorbach vollendet hatten.

Die Kirche ist seither im Inneren und Äußeren teilweise erneuert worden. Die ersten größeren Renovierungsarbeiten fanden im Jahre 1891 statt. Die Notwendigkeit einzelner zusätzlicher Maßnahmen, so u.a. die Einziehung neuer Gebälkteile im Turm, stellte sich erst während der Reparaturarbeiten heraus. Die meisten der an der Renovierung beteiligten Handwerker stammten aus den Nachbarorten, nur Maurermeister Georg Müller VII., Weißbindermeister Philipp Eichler, Schreinermeister Georg Werner, Schlossermeister Heinrich Gerhardt und Steinmetzmeister Philipp Stroh waren aus Dreieichenhain. Besonders die damals von Maler Scheuer aus Frankfurt ausgeführte Deckenmalerei fand lobende Anerkennung: ein segnender Christus als Mittelbild und die vier Evangelisten als Eckmedaillons. Nach Abschluß der Arbeiten fand der feierliche Einweihungsgottesdienst am 1. Advent 1891 durch Dekan Frommann statt.

Äusserer Rundgang
Die Burgkirche ist nach Architektur und Ausstattung ein schlichtes sakrales Bauwerk. Länge: 23,40 m, Breite: 10,70 m, Gesamthöhe bis zur Turmspitze: 25,64 m. Wir beginnen unseren Rundgang vor dem Kirchenportal.

Die Bauinschrift über dem Eingang nimmt auf die Brandkatastrophe und den erst 50 Jahre später vollendeten Bau der neuen Kirche Bezug. Nach der freien Übersetzung von Pfarrer Wilhelm Nebel - dem Chronisten und ersten Ehrenbürger dieser Stadt - hat sie folgenden Wortlaut:

"Du, o Heiliger selbst und heiliger Stätten Beschützer, Läßt's ohne Grund nicht geschehen, wenn sie das Feuer verzehrt. Euch aber, die schon erfahren der früheren Kirche Zerstörung, Breite er schützend die Hand über der neuen nun aus."

Unter dieser Inschrift sehen Sie das Wappen der Stadt Hain: eine Eiche mit drei Eicheln. Weitere Inschriften über der Kirchentüre im Dreieck (1716): Soli Deo Gloria (Gott allein die Ehre), Isenburger Wappen und Jahreszahl 1716, darüber 1973 (Jahr der letzten Restaurierung). Im Dachreiter befindet sich eine Glocke mit Inschrift: "Soli Deo Gloria". Glockenweihe am 20. April 1958.

Wenden Sie sich nun bitte nach rechts. Zwischen der Kirche und dem Palas befand sich im 12. Jahrhundert auch der älteste Friedhof. Von der Kirche aus war er durch eine Pforte erreichbar. Vorbei an dem äußeren Treppenaufgang zur Empore gelangen Sie jetzt an die Südseite der Kirchenmauer; hier zeigt ein Sandsteintürrahmen diesen ehemaligen Ausgang zum ersten Kirchhof an, der halb in der Erde verborgen ist. An der Nordseite der Kirchenmauer ist auch noch der frühere spitzbogige Eingang und ein frühgotisches Fenster im Mauerwerk erkennbar. Auf diese Seite der Kirche kommen Sie durch die kleine Tür hinter der Kirche oder - falls versperrt - durch den Burggarten. Da diese letzten Spuren der gotischen Kirche beim Verputz des Mauerwerks überdeckt wurden, sind sie mit Sandsteinfarben neu aufgemalt.

Ein Rundgang im Innern
Sie betreten zunächst den Teil des Gebäudes, der nach dem Brand durch die Erweiterung der Kirche um vier Meter nach Westen entstanden ist. Der Betrachter befindet sich direkt unterhalb des Glockenturms. Lassen Sie zunächst das Gesamtbild des Kirchenraumes auf sich wirken. Es fällt auf, daß es im Kircheninneren keine darstellende Malerei mehr gibt. Bereits 1956 waren die Deckengemälde mit den farbigen Bändern und den Evangelisten an den vier Eckpunkten übermalt worden. Bei der grundlegenden Renovierung im Jahre 1974 bemühte man sich, den ursprünglichen Barock-Charakter möglichst unverfälscht wiederherzustellen. Ein markantes und interessantes Detail ist heute der etwa in Kopfhöhe umlaufende sandsteinrote Streifen. Das gemalte Stuckband, welches den Übergang zwischen Wänden und Decke markiert, sieht einer echten Stukkatur täuschend ähnlich. Auf der rechten Seite befindet sich der Aufgang zur Empore in Form einer Wendeltreppe. Ein alter Stützpfosten unter der Empore erhielt nach der Renovierung ein neu aufgemaltes Ornament. Kanzel und Orgel sind in dunklem Naturholzton aufgefrischt, das verhältnismäßig neue Gestühl ist der harmonisch abgestimmten Innenraumwirkung angepaßt. Wenden Sie sich nun zunächst der Kirchenmitte zu, wobei Sie das große Fenster hinter dem Altar in seiner farbigen Gestaltung auf sich einwirken lassen. In diesem Altarfenster (1975) sind die Abendmahlselemente Brot und Wein dargestellt. Die Bildinhalte sind elementare Lebensmittel des Menschen und uralte Zeichen der Gastfreundschaft. Sie befinden sich nun vor dem Sandsteinaltar. Bei den Ausschachtungsarbeiten für einen Heizungskeller im Jahre 1956 wurden ungefähr 2,50 Meter unter Ihrem jetzigen Standort die Fundamente der salischen Kapelle festgestellt. Links vom Altar befindet sich die große Intarsien-Kanzel mit reichem holzgeschnitztem Ornamentwerk. Neben der Kanzel wurden damals auch wesentliche Teile der Innenausstattung großherzig gestiftet. Die Vorderseite der Kanzelinschrift trägt den Hinweis auf diese Stiftung durch Johann Philipp Küstner, einem gebürtigen Dreieichenhainer, der in Leipzig ein Bankgeschäft hatte.

"Diese Cantzel, Beichtstuhl und Altar hat der Koen.Poln.und Chursach.Bancoasessor und Vornehmer des Raths. zu Leipz.Herr Ioh.Phl.Kuestner, gebuertig von hier Gott zu Ehren und dieser Kirche zum Besten bauen lassen. Anno 1718".

Die Rückseite derselben Holztafel enthält auch Angaben über den Erbauer der Kanzel:
"Iohann Aron Seitz, Schreiner allhier, hat gemacht diese Arbeit im Jahre Christe 1718 den 26. November. Verfertigt den 27. dito eingeweyt." Darunter befindet sich sein Handwerkerzeichen. Auf dem Schalldeckel über der Kanzel befindet sich der Apostel Petrus mit Schlüssel.

Den Abschluß des Kircheninnern nach Osten bildet die Orgelempore. Die Barockorgel aus dem Jahre 1791 stellt eine kostbare Rarität im weiten Umkreis dar. Sie entstammt einer berühmten Orgelbauerwerkstatt des 18. Jahrhunderts, begründet um 1730 durch Johann Michael Stumm in Rhaunen-Sulzbach/Hunsrück. Die Orgel besitzt außer den fünf Stimmen im Pedalwerk 13 Register im Manual, von denen sich vier nur im Baß oder nur im Diskant verwenden lassen. Unter den Hainer Organisten ist besonders Adam Wilhelm Erk zu erwähnen, der nach seiner Tätigkeit in Wetzlar, Worms und Frankfurt die letzten Lebensjahre (1813-1820) als Lehrer und Organist im Hain verbrachte. Sein Sohn, der bekannte Volksliedsammler Ludwig Erk, verlebte hier seine Kindheit. Schon in jungen Jahren soll er seinen Vater auf der Orgelbank vertreten haben. Die auf beiden Seiten der Orgel angebrachten Engel wurden durch Zufall wiederentdeckt. Der Organist Adolf Betz fand sie auf dem Dachboden der alten Schule in der Solmischen-Weiher-Straße. Die beiden Figuren waren stark beschädigt, sie wurden jedoch restauriert und wieder an ihren alten Standort gebracht.

Im Jahre 1970/71 erhielt die Kirche anstelle der veralteten Heizungsanlage eine moderne, automatisch gesteuerte Ölheizung. Die letzte und grundlegende Renovierung der Kirche und die Restaurierung ihrer kostbaren Barockorgel fand im Jahre 1975 statt. Zum Erntedankfest des gleichen Jahres wurde die erneuerte Burgkirche in einer Feierstunde wiedereröffnet. In der hierzu erschienen Festschrift schreibt Dekan Armin Rudat: "Mit der Geschichte eines sakralen Bauwerks ist immer auch gottesdienstliches und menschliches Leben eng verknüpft. Kirche ist nicht nur der Ort, da Gottes Ehre wohnt, sondern auch ein Ereignis, durch das Sammlung der christlichen Gemeinde geschieht und ihre Sendung zum Mitmenschen in Gang gesetzt wird."

© Text: G. Schmidt
© Foto: G. Schmidt